160 DIE GEBÄUDEKANTE **

 

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... angenommen, die Lage der Gebäudekante steht bereits fest - zuletzt durch LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) und davor durch die Lage der Gebäudeflügel und deren Innenräume sowie durch die Innenhöfe, Gärten und Straßen zwischen den Gebäuden — GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), POSITIVER AUSSENRAUM (106). Das folgende Muster schafft die Bedingungen für einen Bereich zwischen drinnen und draußen. Dieser „Bereich" wird häufig als eine Kante betrachtet, als ein dünner Strich auf dem Papier, eine Wand. Aber das ist völlig falsch ...

 

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Ein  Gebäude wird meist als etwas betrachtet, das sich nach innen wendet — den Räumen zu. Die wenigsten Menschen denken bei einem Gebäude an etwas, das auch nach außen gerichtet sein muss.

 

Aber solange sich ein Gebäude nicht ebenso sorgsam und positiv wie nach innen zum umgebenden Äußeren wendet, bleibt der Raum um das Gebäude nutzlos und leer — mit dem Effekt, daß es langfristig sozial isoliert wird, weil man ein Niemandsland durchqueren muss, um hinzugelangen.

Man braucht sich beispielsweise nur einmal diesen Stahl- und Glasblock aus dem Maschinenzeitalter anzusehen. Man kann sich dem Gebäude nur beim Eingang nähern — der Raum rundherum ist nicht für Menschen gemacht.

 

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An der Kante kann sich kein Leben entwickeln.

 

Und nun sehen wir uns dieses ältere, einladendere Gebäude an, das fortlaufend von Bänken, Galerien, Balkonen, Blumen Ecken zum Sitzen und Stellen zum Bleiben umgeben ist. Diese Gebäudekante lebt. Allein durch die einfache Tatsache, daß man aus ihr einen positiven Ort gemacht hat, an dem die Leute gern sind, ist sie mit der Welt um sie herum verbunden.

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Eine Kante, die benutzt werden kann.

 

Man muß sich die Auswirkung dieses kleinen Unterschiedes vorstellen. Das maschinenähnliche Gebäude ist von seiner Umgebung abgeschnitten, isoliert, eine Insel. Das Gebäude mit der lebenden Gebäudekante ist mit der Umgebung verbunden, es ist Teil des sozialen Gefüges, Teil der Stadt, Teil der Menschen, die rundherum wohnen und leben.

Dieser Kontrast wird durch folgende empirische Nachweise untermauert: Die Menschen halten sich in offenen Räumen offenbar gern an den Rändern auf — und wenn diese Ränder lebendig sind, um so lieber. Bei der Beobachtung menschlichen Verhaltens in Außenräumen stellte beispielsweise Jan Gehl fest, daß „sowohl bei stehenden als auch sitzenden Personen ein ausgeprägter Hang besteht, sich in der Nähe von irgend etwas aufzuhalten — einer Fassade, einer Säule, einem Möbelstück usw." [„Mennesker til Fods (Pedestrians)", Arkitekten, Ni. 20, 1968]. Dieser Hang der Leute, sich an den Rändern von Räumen aufzuhalten, wird auch im Muster AKTIVITÄTSNISCHIEN (124) besprochen.

Würde diese Neigung auch beim Außenraum so ernst genommen werden wie im Hausinnern, dann würden die Außenwände der Gebäude in Wirklichkeit ganz anders aussehen, als sie es heute tun. Sie wären eher wie Plätze — die Wände wären nach innen und nach außen gewunden, und das Dach würde dar überreichen, so daß kleine Plätze für Bänke, Plakate und Ankündigungen entstünden und die Leute etwas zum Anschauen hatten. Damit die Nischen die richtige Tiefe hätten, müssten sie dort und da an die 2 m tief sein — siehe die Überlegungen zum ZWEI-METER-BALKON (167).

Richtig angelegt, ist eine solche Kante ein Bereich zwischen Bereichen: Sie verstärkt die Verbindung zwischen drinnen und draußen, fördert die Bildung von Gruppen über diesen Grenzbereich hinweg, unterstützt Bewegungen, die auf einer Seite beginnen und auf der anderen aufhören, und ermöglicht Aktivitäten entweder an oder direkt auf diesem Grenzbereich. Ein sehr Wesentliches Denkmodell.

 

Daraus folgt:

Vergiss nicht, die Kante des Gebäudes als ein „Ding", einen „Ort", eine Zone, zu der ein Volumen gehört, zu behandeln und nicht als Linie oder Grenzfläche, die keine Dicke hat. Sorg für Ausnehmungen an der Gebäudekante, die zum Stehenbleiben einladen. Leg vertiefte und überdachte Stellen an, Plätze zum Sitzen, Anlehnen und Spazieren gehen, vor allem an jenen Punkten entlang der Kante, die interessante Blicke auf ,das >Leben in der Umgebung bieten.

 Eine Muster Sprache 160 DIE GEBÄUDEKANTE

 

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Verwende Arkaden, Galerien, Veranden und Terrassen - ARKADEN (119), ZIMMER IM FREIEN (163), DIE GALERIE RUNDHERUM (166), ZWEI-METER-BALKON (167), VERBINDUNG ZUM BODEN (168); achte vor allem auf die Sonne - SONNIGE STELLE (161), ABGESTUFTE NORDFRONT (162) - und leg Sitzgelegenheiten und Fenster an, die das Gefühl der Verbindung verstärken - SITZSTUFEN (125), STRASSENFENSTER (164), PLÄTZE ZUM SITZEN (241), BANK VOR DER TOR (242) ...

 

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